In dem letzten Blogpost berichtete Elinor in humorvoller Weise über die Auswirkungen einer von Landvolk überschwemmten Stadt während der DLG-Ausstellung. In diesem, und auch einigen weiteren, möchte ich die Meldungen zur 24. Wanderausstellung aus jener Zeit wiedergeben. Möge sich der Leser daraus und aus der Art der Formulierung ein eigens Bild jenes Deutschlands von vor dem ersten Weltkrieg machen. Dieser Text ist nicht von Elinor verfasst worden.
Donnerstag, 2. Juni 1910, Hamburgischer
Correspondent
Das Gelände der landwirtschaftlichen Ausstellung |
Heute Mittag 12 Uhr wird die 24.
Wanderausstellung der Deutschen-Landwirtschafts-Gesellschaft auf dem idealen
Ausstellungsplatz des Heiligengeistfeldes eröffnet. Seit Monaten hat Hamburgs
Bevölkerung die Vorbereitungen gesehen und das Fortschreiten der Bauten mit
stets größer werdendem Interesse verfolgt. Nun, wo sich die weißen Zeltdächer
über den weiten Hallen spannen, grüßt die Bevölkerung der alten Hansestadt die
Besucher aus dem ganzen Reiche, die zum zweiten Male an die Wasserkante kommen,
um zu zeigen, dass Deutschland, wenn auch die Industrie sich als gleichwertiger
Faktor der Landwirtschaft an die Seite gestellt hat, noch immer in der Lage ist,
den Bedarf seiner Bewohner an Nahrungsmitteln zu decken.
Und wenn ein Gang durch die
Ausstellung, ein Blick auf die ausgestellten Tiere, auf die Erzeugnisse des
Feldes und die Produkte der Kolonien, wie sie hier vertreten sind, beweist, wie
weit die Grenzen gezogen sind, in denen die Landwirtschaft ihre Tätigkeit
entfalten muss und kann, so darf man, ohne sich einer Übertreibung schuldig zu
machen, ein bekanntes Wort dahin variieren, dass auch den deutschen Bauer uns
niemand nachmacht.
Hamburg sieht die Wanderausstellung
der Deutschen-Landwirtschafts-Gesellschaft, dieser berufenen Vertretung des
deutschen Nährstandes, nicht zum ersten Mal in seinen Mauern. Vor 13 Jahren
durfte die Hansestadt die Vertreter der Landwirtschaft zum ersten Mal hier
begrüßen. Aber noch viel weiter zurück reichen die Beziehungen, die die
Handelsmetropole mit der Landwirtschaft verknüpfen. Denn die Deutsche
Landwirtschafts-Gesellschaft darf Hamburg als ihre Geburtsstadt ansprechen.
Denn Max Eyth war es, der an einem Sommerabend des Jahres 1883 mit dem
Oberamtmann Rimpau und dem Geheimen Oberregierungsrat Dr. Thiel hier in Hamburg
den Gedanken fasste, eine die ganze deutsche Landwirtschaft umfassende große
Organisation zu schaffen. Klein genug waren die Anfänge, aber willensstarke Tatkraft
hob über die ersten Schwierigkeiten hinweg, und Max Eyths Name bleibt als der
des Begründers der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft für alle Zeiten
unvergessen. Er stand nicht mehr an der Spitze, als am 19. Juni 1897 die erste
Ausstellung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in Hamburg stattfand.
Aber sein Geist schwebte über ihren Veranstaltern und, wie damals Herr
Rittergutsbesitzer Pogge-Altkrasow als Vizepräsident für den 4. Gau hervorhob,
war Jeder, der in irgend einer Eigenschaft an der Ausstellung beteiligt war, im
Gefühl der großen Verantwortung, die er zu tragen hatte bemüht gewesen, seine
Pflicht zu tun und daran mitzuwirken, dass ein glänzendes Bild entstand.
Unendlich groß ist der Erfolg dieser Ausstellung gewesen, und so ist es
begreiflich, dass die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft gern nach Hamburg
zurückkehrt, um Zeugnis abzulegen von den gewaltigen Fortschritten, die in den
inzwischen abgelaufenen 13 Jahren überall erzielt worden sind.
Wohl ist die Wissenschaft den
Fortschritten der Landwirtschaft zugute gekommen, aber nur deshalb, weil der
deutsche Bauer es verstanden hat, dem Ausspruch Justus von Liebigs zu folgen,
der es ihm eindringlich nahe gelegt hat, ihre Errungenschaften in die Praxis
des Lebens umzusetzen. Man darf also wohl sagen, dass die Landwirtschaft die
Zeichen der Zeit verstanden und sich alle Fortschritten der Erkenntnis auf
naturwissenschaftlichem Gebiete nutzbar zu machen gewusst hat.
Wie ernst es ihr damit ist, zeigt
das äußere Bild der Ausstellungen, wie sie sich immer großzügiger gestaltet
haben. Da ist alles aufs Strengste ausgeschlossen was von dem eigentlichen
Gegenstand abziehen kann. Nichts drängt sich dem Besucher auf, was etwa bloßer
Zerstreuung oder müßiger Neugier dienen soll; den Landwirten soll Anregung und
Belehrung in ihrem ureigensten Fach geboten werden. Dass dabei dem
Nichtfachmann eine reiche Fülle des Sehenswerten geboten wird, darf nicht
Wunder nehmen. Wie sich die Grenzen des Deutschen Reiches gedehnt haben über
das weite Meer hinaus bis zu den Gefilden der deutschen überseeischen Kolonien,
so musste das Interesse der Landwirtschaft Dinge umfassen, die vordem außerhalb
ihres Bereiches lagen. Alle die Produkte, die Abseits der Betätigung des
deutschen Bauern im Mutterland lagen, sind daher der Ausstellung angegliedert
worden in einer besonderen, von der Deutschen Kolonialgesellschaft
veranstalteten Sonderausstellung. Wenn demnach die Aufmerksamkeit über die
inländische Viehzucht und den einheimischen Feldbau hinüberschweift zu den Erzeugnissen
Afrikas oder der Südseeinseln, so mag das ein Zeugnis dafür sein, wie auch über
die Meere hinaus die deutsche Landwirtschaft ihr Feld findet, das sie zum
Besten der gesamten Bevölkerung beackern darf.
Gerade in Hamburg findet sie für
diese weitreichenden Bestrebungen das beste Verständnis. Von hier aus gehen die
Fäden hinüber in alle Regionen des Erdballes, und der Hamburger Kaufmann weiß,
dass er einen Rückhalt in seinen Bestrebungen hat, wenn der Landwirtschaft die
Wege geöffnet werden in die fremden Länder hinein und aus den fremden Ländern
in die deutsche Heimat. Es darf darauf hingewiesen werden, dass Hamburg an
seinem Kolonial-Institut eine eigene Professur für Koloniale Landwirtschaft
errichtet hat. Das heißt doch gewiss, die Forderungen der Zeit verstehen und
der inländischen Landwirtschaft mit seinem Erkennen aller Bedürfnisse der neuen
Zeit entgegenkommen.
So liegt die Verbindung zwischen
dem weltumspannenden Handel der Hans-Metropole und der Landwirtschaft gar nicht
so fern. Ein Sinnspruch an einem Hause am Hamburger Hafen verbindet die beiden
großen Berufszweige. Er lautet:
„Wie der Kiel dem stürmenden
Meere,
Trotze auch du den Stürmen der
Zeit.“
Aus dem Geist dieses kernigen
Spruches heraus begreift es sich, wenn heute die hamburgische Bevölkerung der
Eröffnung der landwirtschaftlichen Ausstellung ihre ungeteilte Sympathie
entgegenbringt. Wenn in der heutigen Mittagsstunde sich die feierliche
Eröffnung vollzieht, wenn Bürgermeister Dr. Predöhl mit einer Begrüßung der
Gäste Hamburgs den weihevollen Akt einleitet, dann sind auch die Herzen der
Hamburger Bevölkerung dabei, die sich vereinigen in dem Wunsche, dass diese
Ausstellung alle Hoffnungen erfüllt, die man auf sie setzt, dass sie der
deutschen Landwirtschaft eine neue Förderung sein wird, dass die deutsche
Landwirtschaft aus ihr neue Kraft zu weiterem, glücklichem Streben schöpfen
wird.
(Hamburger Staatsarchiv / 741-4_S 12917)